In den letzten Tagen spüre ich eine etwas wehleidige, aber auch trotzige Abschiedsstimmung. Wiederholt fällt mir E.Jandls Gedicht ein:“ Hier hock ich nun, in letzter Lebensphase, ein Mensch, ein wenig Hund, ein wenig Hase. Auch das Bild des singenden Liebespaares, das rechts vorne auf P.Breughels „Triumph des Todes“ zu sehen ist taucht immer wieder auf, und der Tod als Gerippe dargestellt, deer hinter dem Paar auftaucht und ihr Lied von hinten unmerklich au seiner Geige begleitet.
Also stimme auch ich
das krächzende Lied meines altersschwachen Endspurts an, das schaurige Lamento
vom rhythmischen Knirschen arthrotischer Gelenke untermalt. „Auch im Kopfe, es
knistert und knackt, mir scheint, dass da jemand die Koffer packt“ jammert der
arme Heinrich Heine in seiner Matratzengruft.
Aber dann schneuze
ich mich heftig, gebe mir einen Ruck und sehe zuversichtlich dem Ausflug mit
Burgi und Florian, die ja auch nicht gerade Jugendliche sind, nach Nikko
entgegen.
Tatsächlich, in den
tiefgrünen geheimnisvollen Zedernwäldern, aus denen nach dem Regen die weißen
Nebeldrachen aufsteigen und unsere frommen Wünsche zum Himmel tragen, erwartet
mich Tröstung von meinem melancholischen Anfall.
Schon das
Begrüßungsessen im traditionellen Nobelrestaurant und der Regenspaziergang
durchs Gelände des ziemlich still wirkenden Tosho Gu sind Balsam auf meiner
wehleidigen Seele.
In verregneter
Dämmerung, kurz gegrüßt von den geschnitzten Affen und der Katze des
linkshändigen Schnitzers, durch den tropfenden finsteren Zedernwald, fast schon
im Jenseits angelangt, klettern wir die steile Treppe zum grab des großen
Shoguns hinauf. Auch seine Macht löst sich im Abendnebel auf, schlussendlich
auch nichts als Illusion.
Recht zufrieden
hatschen wir, vorbei an einem Reh, das Burgi am Waldesrand neben der Brücke
entdeckt heim ins Park-Lodge und erfreuen uns an Yuba, diesen grauslichen
Soja-Häuten und Rotwein bevor wir durch den stockdunklen Wald ins kleine Onsen
gehen und uns in der heißen Brühe entspannen.
Dann setzt sich die
Nikko-Behandlung meines morschen Gemüts in der Morgensonne in der Gamman Ga
Fuchi Schlucht erfolgreich fort. Die zahllosen, grün bemoosten barmherzigen
Jizos mit ihren leuchtend roten Mützen ermutigen auch mich, das frisch über die großen runden Felsen zur
Heiligen roten
Shinkyo- Bogenbrücke dahinsprudelnde und schäumende Wasser trägt auch zur
heilsamen Wirkung bei.
Bereits in der
Kaiservilla Nikko Tamazawa erwacht mein kämpferischer Geist wieder und ich
schimpfe auf all die Kaiser, Fürsten, Feldherrn, Päpste und Bankdirektoren in
ihren edlen Prachtvillen, umgeben von traumhaften, gepflegten Gärten, was mir
durch ein zur Schau gestelltes Fotoalbum das Bilder internationaler Prominenz,
die den Showa-Kaiser Hirohito besuchten, zeigt.
Im Rinno Ji besuchen
wir die großen, goldenen Buddhas und die den Tieren holde pferdeköpfige Bato,
dann pilgern wir zur Quelle und den heiligen Zedern im Futarasan Ji. Unter den
schamanischen gekreuzten Firstbalken geistert immer ein ähnlicher Märchenzauber
durch diese Shinto-Schreine. Alte Hexer, unschuldige junge Mädchen, heilige
Bäume, Quellen und Felsen. Auch hie zieht sich der Natur-und
Landschaftsanimismus bis hinauf zu den Nebenschreinen beim Kegon-Wasserfall am
Chuzenji-See und zum Gipfel des dahinter im Nebel verschwindenden Nantai-Sans.
Nachdem wir, recht
begeistert , den Tai Yuin Byo mit dem Grab für Ieyasus Enkel Iemitsu
durchschritten haben, verschwinden auch wir in den dunklen Falten der grünen
Sykomorenwälder in die sich die auch grün bemoosten Laternenwälder der Tempel
nahtlos fortsetzen.
Wie am Plafond der
Haupthalle des Tayuin Byo steigen auch hie schon wieder einhundertvierzig
Drachen zum Himmel, diesmal führen sie auch meine Gebete für Lena und Leos
Glück mit sich.
Beim Tempel der
Wassergöttin an einem Bachufer kehren wir um und kehren, vorbei an der Höhle
mit den Statuen unter der Felswand wieder zurück nach Nikko, dem Ursprung der
Sonne und weiter nach Ueno.
Dort wage ich mich,
zwar schon etwas müde, doch noch in den Go-Club und darf drei Partien gegen ein
Spieler mit dem 5.Dan spielen, eine große ehre für einen dahergelaufenen
Ausländer.
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