In der westliche Rezeption werden eher chinesiche
Malerschulen bewundert, die versuchten, den Blick des
Betrachters von konkreten, im Bild dargestellten Dingen
auf dahinterliegende, unsichtbare spirituelle Dimensionen
zu lenken.
Beispielsweise wären hier die sogenannten Gentleman-
Maler, die Literatenmaler aber auch die Zen -
Buddhistischen (Chinesisch Chan statt Zen) Mönchsmaler
zu nennen.
Die Gentleman- Maler legten es darauf an, durch ihre Art zu malen, ihren eigenen eleganten und coolen Lebensstil auszudrücken. Die Literatenmaler wiederum versuchten in ihren Bildern ihre hohe Bildung zu zeigen. Zu dieser Gruppe gehört etwa ein Ma Yüan , der oft nur eine Ecke des Bildes bemalte, um den Blick in die Leere zu lenken ganz im Geiste des Konfuzius, der meinte „Ich zeige eine Ecke, wer die anderen nicht findet, dem wiederhole ich mich nicht“.
Den malenden Zenmönchen schließlich war es ein Anliegen, mit ihren locker hingeworfenen Malereien die meditative Stimmung bei der Suche nach Erleuchtung zu vermitteln, wozu der Anblick einer Bambusstaude oder eines Wasserfalls nur Mittel zum Zweck war.
Auf einem völlig anderen Trip war Tsu Ikuei , der im 18. Jahrhundert ein Malerbuch, hauptsächlich über Blumenmalerei, verfasste. Er pries die Naturtreue, allerdings nicht im Sinne eines Naturalismus oder gar photographischen Realismus, sondern im Sinne einer Versenkung in das Wesen des Dargestellten.
Tsu Ikuei meinte, der Maler müsse sich in das dargestellte Wesen hineinversetzen, vielleicht ähnlich wie die Felsmaler der Steinzeit, die vermutlich bei ihrem Jagdzauber mit dem Mammut oder Bison, den sie malten, eins wurden.
Zur Person des Tsu Ikuei
Von dem 1686 geborenen Tsu Ikuei gibt es einige Biografien in denen er als hoher Beamter und berühmter Blumenmaler geschildert wird.
Über seine Jugendjahre wird erzählt dass er sich viel in verrufenen Häusern herumgetrieben, Flöte geblasen und getrunken habe.
Dennoch brachte er es zum Präsidenten des obersten Gerichtshofes und des Ministeriums für Riten. In diesen Ämtern erreichte er eine menschlichere Behandlung der Strafgefangenen, unter anderem durch Abschaffung oder zumindest Milderung der Foltermethoden. Angeblich bemühte er sich auch um die Gleichberechtigung von ethnischen Minderheiten im Süden Chinas.
Bei einer musikalischen Vorstellung vor dem Kaiser bestieg Allerhöchst, vom Wein erhitzt, persönlich die Bühne und begann mit der Musik mit zu trommeln. Das Orchester war außerstande dem Rhythmus des Kaisers zu folgen, lediglich unser Tsu Ikuei spielte völlig im Takt mit ihrer Majestät. Ebenfalls hocherfreut von Tsu Ikuei war der Kaiser beim Anblick einer Bildrolle mit hundert Blumendarstellungen. Höchst persönlich dichtete der Kaiser zu jeder Blume einen Vierzeiler.
Als Tsu Ikuei sich schon pensioniert als Vorsitzender der zehn Greise vom grünen Berg in seine Heimat zurückgezogen hatte, brachte der Kaiser ihm eine Tafel mit der Aufschrift:
„ Das Dhyana der Malerei nährt die Lebensjahre“ (Dhyana = Sanskrit für Medidation, etymologisch verwandt mit Chan, Zen)
In der Malerei gibt es acht Gesetze. Das erste Gesetz heißt : Gesetz der Komposition. Auf einer Bildrolle muss man zwischen dem „Gast“ und dem „Hausherrn“ unterscheiden. Ist der eine leer, so der andere voll, der eine fest, der andere locker. Das nämlich ist das Prinzip von Aus- und Einatmen, von Yin und Yang.
Das zweite Gesetz heißt . Gesetz des Pinsels. Der Gedanke kommt vor dem Pinsel, habe den Bambus in deiner Brust vorgebildet. Bei der Pinselführung gibt es folgende Methoden: Hangende Nadel, Eiserne Sichel, Schwimmende Gans, Seidenraupenkopf und Rattenschwanz.
Dichtung und Malerei sind wie Kleid und Futter
Schreiben und Malen haben einen gemeinsamen Ursprung. Darum ist bei einem guten Dichter im Gedicht ein Bild und beim guten Maler im Bild ein Gedicht. Die zauberhafte Stimmung, die ein Gemälde vermittelt verhält sich zur Wirkung eines Gedichtes wie das Kleidungsstück zu seinem Futter.
Sechs Grundsätze beim Malen
Schon in der Ming – Zeit sprachen die Alten von sechs Grundsätzen beim Malen:
Der erste heißt : Schaff Lebensbewegung durch Atem- Widerklang (Chi Yün)
Anmerkung: Chi heißt so etwas wie Lebensatem, Lebensenergie, Geist etc., kommt etwa im Tai Chi vor. Yün heißt Widerhall, Echo, Reim, Resonanz. Daraus wird vielleicht verständlich, wenn es heißt: Das Herz folgt dem Rhythmus (Yün) des Pinsels, man bekommt die Gestalten in den Griff, ohne unsicher zu sein. Ein Bild ohne Chi Yün besitzt nur die Blüten äußerer Schönheit aber nicht die Frucht innerer Wahrheit.
Der zweite Grundsatz heißt : Gebrauche den Pinsel in Knochen-Manier.
Der dritte : Schreib nieder die Formen den Dingen als Antwort.
Der vierte heißt : Leg aus die Farben gemäß den Arten.
Der fünfte : Planend und ordnend bestimme die Stellungen.
Der sechste Grundsatz schließlich lautet : Vermittle die Muster hinüberschreibend.
Sechs Geisteshaltungen die beim Malen zu vermeiden sind:
1. Der Geist der Gewöhnlichkeit
Er gleicht einer Dorfschönen, die sich mit Schminke bemalt hat
2. Der Handwerkergeist
Er bedeutet Kunstfertigkeit ohne Widerklang (Yün)
3. Der Feuergeist
Da führt man den Pinsel wie einen Knüppel.
4. Der Geist der Flüchtigkeit
Das Grobe und Ungestüme tritt übermäßig in Erscheinung während das kultivierte zu kurz kommt.
5. Der Geist des Boudoirs
Die Strichführung ist schwächlich, ihr fehlt die Knochenkraft.
6. Der Geist des Im – Dunkeln – Tappens
Man schafft ganz nach Willkür, diese Geisteshaltung ist schlimm bis zur Unerträglichkeit
Das Geheimnis zweier Worte
Lebendigkeit (Huo) und Losgelöstheit (To) sind geheimnisvolle Worte in der Malerei.
Solange ich Lebensfähigkeit in mir habe, kann ich kreuz und quer malen, alles gelingt nach Wunsch. Man gewinnt dann den Eindruck, dass im Bild das Leben abgeschrieben wird. Diese Beschäftigung mit dem Lebendigen sichert nicht nur dem Maler, sondern sogar seinen Nachkommen ein hohes Alter.
Losgelöstheit nun bedeutet, dass, wenn Strich um Strich durchgebildet ist, das Gemalte sich von Papier und Seide trennt. Wohlverstanden : nicht das Malwerk selbst löst sich ab; vielmehr das Erleben der Lebendigkeit! Dazu wird auch der Ausspruch Wang Yüs, des Herren vom Ost-Weiler zitiert, der sagte : Malerei vermag unseren Kummer hinweg zu waschen, Sorgen zu verscheuchen, die Unruhe des Herzens zu lösen und den Geist heitere Stille einzulassen.
Vom Malen des Konkreten und Abstrakten
Unter den Leuten gibt es ein Wort :
Wenn einer malt den Schnee
Vermag er doch die Reinheit nicht zu malen
Wenn einer malt den Mond
Vermag er doch sein Leuchten nicht zu malen...
Die Leute, die so reden, wissen nicht, dass bei einem lebendig und losgelöst gemalten Bild auch die abstrakten Qualitäten ganz von selbst herauskommen.
Li Su Hsün hatte für den Kaiser auf einen Wandschirm das Bild des Chialingflusses in Szechuan gemalt. Am nächsten Tag lobte der Kaiser den Künstler:
Von dem Wandschirm, den ihr gemalt, habe ich des Nachts das Wasser rauschen hören, ihr seid ein wahrer Meister.“
Li Su Hsün hatte seine Wasserdarstellung im Geiste des weiblichen Prizinps Yin gemalt, so dass das Leben des Wassers darin hörbar war. Nun gibt es, wie schon in der Einleitung angedeutet, in China natürlich Maler, die auf einem völlig anderen Trip waren. Diese versuchten mit spontanen, fast unkontrollierten Pinselstrichen ihre inneren Zustände sichtbar zu machen wobei die Ähnlichkeit der Abbildung mit der Natur in den Hintergrund trat.
Eine gewisse Tradition dieser Einstellung findet sich schon bei den sogenannten Tintenspritzern (I-Pin) der Ming Ära, natürlich auch bei malenden Zen-Buddhistischen Mönchen des 12. Jahrhunderts und immer wieder bei unorthodoxen, wilden Malern wie besonders krass beim genialen Hsüe Wei.
Hsüe Wie war auch ein Blumenmaler, so wie Tsu Ikuei, der Autor unseres Buches über Malerei, aber er war von ihm verschieden wie Tag und Nacht. Vermutlich malte er seine rasch und wie zufällig hingeworfenen Bilder oft betrunken, im Rahmen von Saufgelagen. In seinen fast chaotischen, wilden und expressiven Pinselstrichen wird eher sein wüstes Innenleben sichtbar als die Pfingstrosen oder der Bambus. Die geniale Zerrissenheit dieses Malers zeigt sich auch in seiner Biografie. Er war ein vielseitig begabter Opernsänger, Schwertfechter, Kalligraph und Maler. Eines der Singspiele die er komponierte hieß „Die vier Schreie des Affen“. In einem psychotischen Zustand erstach er seine Frau, schlug sich mit einer Hacke auf den Kopf, bohrte sich einen Nagel ins Ohr und zerquetschte seine Hoden, weshalb er nur knapp der Todesstrafe entging.
Wohl zu Recht vermerkt James Cahill (Parting at the Shore, New York und Tokyo,1978) dass die beeindruckende Bildrolle Hsüe Weis in Nanking wohl auch als Selbstheilungsversuch des Künstlers gesehen werden kann) Nach sieben Jahren Gefängnis lebte er ärmlich dahin und verfasste selbst eine Inschrift für seinen Grabstein wie folgt:
Die Leiden der Kindheit hat er überlebt, weil er nicht verdiente zu sterben,
Ständig vor Angst unterzugehen wie gelähmt Stürzte er sich selbst ins Wasser,
Lacht nur alle über den kahlköpfigen Wei
Jetzt ist es zu spät für ihn noch Mönch zu werden!
Habt Mitleid mit ihm,
er war doch ein begabter Kerl,
und er hat bis zum Wahnsinn gekämpft
um auch eine normaler Mensch zu werden,
Ist er dafür schuldig zu sprechen?
Ist im Nachhinein nicht alles verständlich?
Die Gentleman- Maler legten es darauf an, durch ihre Art zu malen, ihren eigenen eleganten und coolen Lebensstil auszudrücken. Die Literatenmaler wiederum versuchten in ihren Bildern ihre hohe Bildung zu zeigen. Zu dieser Gruppe gehört etwa ein Ma Yüan , der oft nur eine Ecke des Bildes bemalte, um den Blick in die Leere zu lenken ganz im Geiste des Konfuzius, der meinte „Ich zeige eine Ecke, wer die anderen nicht findet, dem wiederhole ich mich nicht“.
Den malenden Zenmönchen schließlich war es ein Anliegen, mit ihren locker hingeworfenen Malereien die meditative Stimmung bei der Suche nach Erleuchtung zu vermitteln, wozu der Anblick einer Bambusstaude oder eines Wasserfalls nur Mittel zum Zweck war.
Auf einem völlig anderen Trip war Tsu Ikuei , der im 18. Jahrhundert ein Malerbuch, hauptsächlich über Blumenmalerei, verfasste. Er pries die Naturtreue, allerdings nicht im Sinne eines Naturalismus oder gar photographischen Realismus, sondern im Sinne einer Versenkung in das Wesen des Dargestellten.
Tsu Ikuei meinte, der Maler müsse sich in das dargestellte Wesen hineinversetzen, vielleicht ähnlich wie die Felsmaler der Steinzeit, die vermutlich bei ihrem Jagdzauber mit dem Mammut oder Bison, den sie malten, eins wurden.
Zur Person des Tsu Ikuei
Von dem 1686 geborenen Tsu Ikuei gibt es einige Biografien in denen er als hoher Beamter und berühmter Blumenmaler geschildert wird.
Über seine Jugendjahre wird erzählt dass er sich viel in verrufenen Häusern herumgetrieben, Flöte geblasen und getrunken habe.
Dennoch brachte er es zum Präsidenten des obersten Gerichtshofes und des Ministeriums für Riten. In diesen Ämtern erreichte er eine menschlichere Behandlung der Strafgefangenen, unter anderem durch Abschaffung oder zumindest Milderung der Foltermethoden. Angeblich bemühte er sich auch um die Gleichberechtigung von ethnischen Minderheiten im Süden Chinas.
Bei einer musikalischen Vorstellung vor dem Kaiser bestieg Allerhöchst, vom Wein erhitzt, persönlich die Bühne und begann mit der Musik mit zu trommeln. Das Orchester war außerstande dem Rhythmus des Kaisers zu folgen, lediglich unser Tsu Ikuei spielte völlig im Takt mit ihrer Majestät. Ebenfalls hocherfreut von Tsu Ikuei war der Kaiser beim Anblick einer Bildrolle mit hundert Blumendarstellungen. Höchst persönlich dichtete der Kaiser zu jeder Blume einen Vierzeiler.
Als Tsu Ikuei sich schon pensioniert als Vorsitzender der zehn Greise vom grünen Berg in seine Heimat zurückgezogen hatte, brachte der Kaiser ihm eine Tafel mit der Aufschrift:
„ Das Dhyana der Malerei nährt die Lebensjahre“ (Dhyana = Sanskrit für Medidation, etymologisch verwandt mit Chan, Zen)
Auszüge aus Tsu Ikueis Malerbuch
Aus den "acht Gesetzen"In der Malerei gibt es acht Gesetze. Das erste Gesetz heißt : Gesetz der Komposition. Auf einer Bildrolle muss man zwischen dem „Gast“ und dem „Hausherrn“ unterscheiden. Ist der eine leer, so der andere voll, der eine fest, der andere locker. Das nämlich ist das Prinzip von Aus- und Einatmen, von Yin und Yang.
Das zweite Gesetz heißt . Gesetz des Pinsels. Der Gedanke kommt vor dem Pinsel, habe den Bambus in deiner Brust vorgebildet. Bei der Pinselführung gibt es folgende Methoden: Hangende Nadel, Eiserne Sichel, Schwimmende Gans, Seidenraupenkopf und Rattenschwanz.
Dichtung und Malerei sind wie Kleid und Futter
Schreiben und Malen haben einen gemeinsamen Ursprung. Darum ist bei einem guten Dichter im Gedicht ein Bild und beim guten Maler im Bild ein Gedicht. Die zauberhafte Stimmung, die ein Gemälde vermittelt verhält sich zur Wirkung eines Gedichtes wie das Kleidungsstück zu seinem Futter.
Sechs Grundsätze beim Malen
Schon in der Ming – Zeit sprachen die Alten von sechs Grundsätzen beim Malen:
Der erste heißt : Schaff Lebensbewegung durch Atem- Widerklang (Chi Yün)
Anmerkung: Chi heißt so etwas wie Lebensatem, Lebensenergie, Geist etc., kommt etwa im Tai Chi vor. Yün heißt Widerhall, Echo, Reim, Resonanz. Daraus wird vielleicht verständlich, wenn es heißt: Das Herz folgt dem Rhythmus (Yün) des Pinsels, man bekommt die Gestalten in den Griff, ohne unsicher zu sein. Ein Bild ohne Chi Yün besitzt nur die Blüten äußerer Schönheit aber nicht die Frucht innerer Wahrheit.
Der zweite Grundsatz heißt : Gebrauche den Pinsel in Knochen-Manier.
Der dritte : Schreib nieder die Formen den Dingen als Antwort.
Der vierte heißt : Leg aus die Farben gemäß den Arten.
Der fünfte : Planend und ordnend bestimme die Stellungen.
Der sechste Grundsatz schließlich lautet : Vermittle die Muster hinüberschreibend.
Sechs Geisteshaltungen die beim Malen zu vermeiden sind:
1. Der Geist der Gewöhnlichkeit
Er gleicht einer Dorfschönen, die sich mit Schminke bemalt hat
2. Der Handwerkergeist
Er bedeutet Kunstfertigkeit ohne Widerklang (Yün)
3. Der Feuergeist
Da führt man den Pinsel wie einen Knüppel.
4. Der Geist der Flüchtigkeit
Das Grobe und Ungestüme tritt übermäßig in Erscheinung während das kultivierte zu kurz kommt.
5. Der Geist des Boudoirs
Die Strichführung ist schwächlich, ihr fehlt die Knochenkraft.
6. Der Geist des Im – Dunkeln – Tappens
Man schafft ganz nach Willkür, diese Geisteshaltung ist schlimm bis zur Unerträglichkeit
Das Geheimnis zweier Worte
Lebendigkeit (Huo) und Losgelöstheit (To) sind geheimnisvolle Worte in der Malerei.
Solange ich Lebensfähigkeit in mir habe, kann ich kreuz und quer malen, alles gelingt nach Wunsch. Man gewinnt dann den Eindruck, dass im Bild das Leben abgeschrieben wird. Diese Beschäftigung mit dem Lebendigen sichert nicht nur dem Maler, sondern sogar seinen Nachkommen ein hohes Alter.
Losgelöstheit nun bedeutet, dass, wenn Strich um Strich durchgebildet ist, das Gemalte sich von Papier und Seide trennt. Wohlverstanden : nicht das Malwerk selbst löst sich ab; vielmehr das Erleben der Lebendigkeit! Dazu wird auch der Ausspruch Wang Yüs, des Herren vom Ost-Weiler zitiert, der sagte : Malerei vermag unseren Kummer hinweg zu waschen, Sorgen zu verscheuchen, die Unruhe des Herzens zu lösen und den Geist heitere Stille einzulassen.
Vom Malen des Konkreten und Abstrakten
Unter den Leuten gibt es ein Wort :
Wenn einer malt den Schnee
Vermag er doch die Reinheit nicht zu malen
Wenn einer malt den Mond
Vermag er doch sein Leuchten nicht zu malen...
Die Leute, die so reden, wissen nicht, dass bei einem lebendig und losgelöst gemalten Bild auch die abstrakten Qualitäten ganz von selbst herauskommen.
Li Su Hsün hatte für den Kaiser auf einen Wandschirm das Bild des Chialingflusses in Szechuan gemalt. Am nächsten Tag lobte der Kaiser den Künstler:
Von dem Wandschirm, den ihr gemalt, habe ich des Nachts das Wasser rauschen hören, ihr seid ein wahrer Meister.“
Li Su Hsün hatte seine Wasserdarstellung im Geiste des weiblichen Prizinps Yin gemalt, so dass das Leben des Wassers darin hörbar war. Nun gibt es, wie schon in der Einleitung angedeutet, in China natürlich Maler, die auf einem völlig anderen Trip waren. Diese versuchten mit spontanen, fast unkontrollierten Pinselstrichen ihre inneren Zustände sichtbar zu machen wobei die Ähnlichkeit der Abbildung mit der Natur in den Hintergrund trat.
Eine gewisse Tradition dieser Einstellung findet sich schon bei den sogenannten Tintenspritzern (I-Pin) der Ming Ära, natürlich auch bei malenden Zen-Buddhistischen Mönchen des 12. Jahrhunderts und immer wieder bei unorthodoxen, wilden Malern wie besonders krass beim genialen Hsüe Wei.
Hsüe Wie war auch ein Blumenmaler, so wie Tsu Ikuei, der Autor unseres Buches über Malerei, aber er war von ihm verschieden wie Tag und Nacht. Vermutlich malte er seine rasch und wie zufällig hingeworfenen Bilder oft betrunken, im Rahmen von Saufgelagen. In seinen fast chaotischen, wilden und expressiven Pinselstrichen wird eher sein wüstes Innenleben sichtbar als die Pfingstrosen oder der Bambus. Die geniale Zerrissenheit dieses Malers zeigt sich auch in seiner Biografie. Er war ein vielseitig begabter Opernsänger, Schwertfechter, Kalligraph und Maler. Eines der Singspiele die er komponierte hieß „Die vier Schreie des Affen“. In einem psychotischen Zustand erstach er seine Frau, schlug sich mit einer Hacke auf den Kopf, bohrte sich einen Nagel ins Ohr und zerquetschte seine Hoden, weshalb er nur knapp der Todesstrafe entging.
Wohl zu Recht vermerkt James Cahill (Parting at the Shore, New York und Tokyo,1978) dass die beeindruckende Bildrolle Hsüe Weis in Nanking wohl auch als Selbstheilungsversuch des Künstlers gesehen werden kann) Nach sieben Jahren Gefängnis lebte er ärmlich dahin und verfasste selbst eine Inschrift für seinen Grabstein wie folgt:
Die Leiden der Kindheit hat er überlebt, weil er nicht verdiente zu sterben,
Ständig vor Angst unterzugehen wie gelähmt Stürzte er sich selbst ins Wasser,
Lacht nur alle über den kahlköpfigen Wei
Jetzt ist es zu spät für ihn noch Mönch zu werden!
Hsü Wei: "Flowers and Other Plants", Nanking Museum |
Habt Mitleid mit ihm,
er war doch ein begabter Kerl,
und er hat bis zum Wahnsinn gekämpft
um auch eine normaler Mensch zu werden,
Ist er dafür schuldig zu sprechen?
Ist im Nachhinein nicht alles verständlich?