Montag, 23. November 2015

Auf Irrfahrt durch die Gärten der Götter – Wieder in Kyoto, Nara, Muroo, Hasedera.....

Der Shintogarten, hinter dem Torii, ist das Reisfeld des Berggottes. Der Garten Eden, aus dem Adam und Eva wegen ihrer verliebten Begegnung  vom strengen Vater vertrieben wurden, war schließlich  auch Privatgarten eines gestrengen Gottes.
In den intermediären Räumen der Gärten kommunizieren Innenraum und Außenraum, eigener Raum mit dem Raum des Anderen. Jodo, das reine Land Amidas öffnet sich zur irdischen Landschaft.
Klopfenden Herzens schleichen wir durch geheime Blumengärten, duftend wie das Décolleté einer vollbusigen Schönen. Die Schöne verwechselt im dunklen Schatten der Gartenlaube Liebhaber und Ehemann, Vater und Sohn, Gott und Mensch. Was für ödipale Maskerade zu zärtlicher Mozartmusik!
Erst wenn durch den Zauber dieser Verblendung die grünen Matten des Moostempels schon zum Schamhaar des Mutterkörpers werden, flüchten wir in die strenge Leere des Ryoan Ji, wo sich das irritierte Ich in nichts auflöst.




Versteckte alte Göttinen
Heiter stürzen wir uns von der Terasse des Kiyomizu Dera, des Reinwassertempels hinunter zur Quelle um der Mutter Erde zu opfern.
Oder wir pilgern durch den Wald, der alle Lügen aufdeckt zum Shimogama Jinja, eine Art von Demetertempel,  dessen Kami uns tröstlich zulächeln.



Springende Karpfen
Mit tausend Gästen soll Toyotomi Hideyoshi im Garten des Kitano Tenmann-gu seine Party gefeiert haben. Meine Party ist bescheidener. Der Maler Kano Motonobu hat dort, beim Taizo In, einen kleinen Karesansuigarten, entworfen, mit Wasserfall, Seerosen und Steinlaternen. Im kleinen Teehaus dieses Gartens, am Ufer des Teiches, bei einem Machatee, singt mir die zarte Soi aus Beijing ein herzzerreißendes chinesisches Volkslied ins Ohr, währen die Karpfen draußen im Takt aus dem Wasser hüpfen.


Heiliges Sushi
Beim Kibune Jinja, in strömendem Regen sehe ich staunend den Tanz des rotgesichtigen heiligen Mao der vor sechs Millionen Jahren auf seiner Feuerkutsche vom Uranus gefahren kam.
Ihm zu Ehren werden mit großen Messern rituell zwei Fische zerlegt, ohne sie mit der Hand zu berühren.






Am Chion In

Allmählich werde ich zum Wandermönch
Mit morschem Knie
Äußerlich vom Regen, innen vom Schweiß durchnässt, aber zum Glück
Hat Sengai mir seinen Regenschirm geliehen
So ziehe ich in der großen Karawane der Elenden dahin, unter einem gleichgültigen Himmel
Einer pilgert mit der Karawane nach Mekka,
Ein anderer nach Rom
Ein dritter nimmt ein Bad in den Fluten des Ganges
Viele gehen ins Wellnesscenter
Auch ich, hinkend in der Schar der Leidgeplagten
Ziehe dahin, diesmal zum Chion In
Herabgestiegen vom reinen Land
Amida erbarme dich meiner
Was suchen wir mühsamen Pilger eigentlich?
Heilung,  Erlösung,  Vergebung, erfreuliche Wiedergeburt?
Vielleicht ist das Ziel unserer Wallfahrt das grenzenlose Glück mit dem Schatten tiefer Angst aus unseren ersten Tagen an der Brust der Mutter?

Nanzen Ji
Der edelste Besucher der vor mir das mächtige Tempeltor erklommen hat, war zweifellos der Räuberhauptmann Ishikawa, der seinen kleinen Sohn, wie beide in einem großen Kessel gekocht wurden, mit ausgestreckten Armen über den Kopf hielt und dem Buben so das Leben rettete.

Kichernde Schmetterlinge
Rund um die Yasakapagode, aber auch beim Gingaku Ji diese Schwärme von überwiegend chinesischen Touristinnen, von denen sich viele mit billigen Pseudokimonos kostümiert und als Maikos geschminkt haben. Hübsch und etwas weniger hübsch tänzeln sie durch die Gassen, machen Selfies und suchen nach längst verlorenen Traditionen.


Dai Toku Ji
Was für Reichtum an seltsamen Geschichten in diesem Dorf aus 24 Tempeln! Beispielsweise der Ishidangarten oder A-Un- Garten im Ryogen In!
Oder das legendäre Gobrett, auf dem schon Toyotomi Hideyoshi eine Partie gespielt haben soll!

Oder die vergrabene Madonna im Zuiho In. Aber alles übertrifft der „Strom des Lebens“  im Daisen In. Fürwahr eine allegorische Orgie . Wo vom Schatzberg Kannons ein Strom aus Kieselsteinen an diversen symbolträchtigen Felsen vorüberfließt.
Am triebhaften Meeresungetüm der Schildkröteninsel, am Tigerkopfstein, Kranichberg des langen Lebens, am Schatzboot voller Erinnerungen vorbei bis zur schlafenden Kuh am Lebensende.

 



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