Meine jüngsten
Aufenthalte in Tokyo, Yokohama, Nagoya, Osaka und Seoul haben meine Zweifel
verstärkt, ob die riesigen Betonwüsten der Großstädte überhaupt eine
menschenwürdige Umgebung zum Leben sind.
Wie bei jeder
Begegnung mit einer anderen Person, einem Tier oder sogar einem Baum, wird auch
die künstliche Umwelt des Stadtraumes von Bewohnern und Besuchern
körpersprachlich wahrgenommen. Ob sie wollen oder nicht treten sie in einen
Dialog mit den protzigen Riesentürmen, den unterirdischen Höhlensystemen und
den lärmenden Stadtautobahnen, der sich auf ihr Befinden auswirkt. Das Modell
dieses körpersprachlichen Dialogs ist und bleibt aber stets die Erfahrung mit
den Körpern der Eltern, Geschwister, Freunde, Feinde und Geliebten und
natürlich auch mit dem eigenen Körper.
Solcherart werden die
phallokratischen Betonklötze des Königs Mammon mit ihren scharfen gläsernen
Kanten als väterliche Drohung erlebt. Die Pornografie der Macht des
Finanzkapitals die durch erigierte Türme aus Beton symbolisiert wird,
schüchtert den winzigen Passanten zu ihren Füßen ein, verwandelt ihn in ein
bedeutungsloses Molekül.
Auf der anderen Seite
verkörpern die unterirdischen Höhlensysteme der U-Bahnen und Einkaufszentren
das verborgene Innenleben von Verdauung und Fortpflanzung im Leib einer
ungeheuren, verschlingenden Mutter. Wie durch das Maul eines Drachen, wie durch
einen Höllenrachen werden die Menschenmassen verschlungen. In der
unterirdischen Tiefe werden sie dann herumgeschoben, der Kaufrausch von
glitzerndem, unbrauchbaren Schund, der sich fast sofort nach dem Kauf in Müll
verwandelt, ersetzt die Mysterien der Fortpflanzung und Ernährung.
Über diesen
unterirdischen Grotten leuchten verführerisch die blendenden Reklamen, locken
in die Pachinko-Hallen des Glücksspiels und in die lügenhaften Versprechungen
der Designershops. Sozusagen das Décolleté der Kurtisane des Konsums. Aber das
Fressen im Konsumrausch führt zu keiner echten Sättigung, monotone Masturbation
in den Spielhöllen zu keinem befriedigenden Orgasmus.
Wenn ich in diesen,
auf den ersten Blick oft verlockenden, städtischen Environments umherirre,
verschlechtern sich insgesamt mein Körpergefühl und mein Lebensgefühl durch die
körpersprachlichen Gesten, die von dieser brutalen Betonlandschaft ausgesendet
werden. In rücksichtsloser optischer Umweltverschmutzung spricht diese
Architektur auf unheimliche und widerwärtige Weise zu mir.
Zusammen mit den
Scharen zahlloser, fast hypnotisierter Mitmenschen saugen die Öffnungen der
U-Bahn, die Schienennetze und Straßennetze mich an, ergreifen mich mit den
Fangarmen eines Riesenkraken, zermalmen mich mit dem Gebiss ihrer Betonzähne
und verschlingen mich in die Bäuche unterirdischen Transports und
Konsumrausches.
Wie feurige Öfen in denen
die Menschenmassen verheizt werden glühen die ganze Nacht die grellen Lichter,
beleuchten das Szenario, in dem der dämonische Moloch Stadt mit seiner Peitsche
von Hast und Zeitdruck die Menschenherden zu quälender Fronarbeit und
hektischem Vergnügen treibt.
Tag und Nacht, Sommer
und Winter verschwimmen in dieser artifiziellen Welt in der unersättlich und
verschwenderisch Menschen und
Naturprodukte verschluckt, zerkaut und wieder erbrochen werden. Der
altbekannte Teufelskreis von Hahn, Schwein und Schlange, von Hochmut,
Unersättlicher Gier und Lüge, der das Rad der Illusionen antreibt. Wenn man so
will auch der unbarmherzige Mechanismus des Kapitalismus.
Zurück bleiben
ausgebrannte, leere Menschenhülsen, mit artifiziellen, unnatürlichen
Bedürfnissen. Dazu Berge von Müll, die Exkremente des riesigen Drachens
Großstadt.
Es gibt kein
natürliches Leben mehr in diesen giftig
vibrierenden Geisterstädten. Morgens hinein in die monotonen Büros, vor die
flimmernden Bildschirme, danach wie grinsende Schatten als standardisierte Konsumenten in die
Einkaufpaläste und zum Running-Sushi.
Der Widerschein
dieser von unersättlicher Geldgier angetriebenen, ruhelosen Monsterstädte aber strahlt weit hinaus, entlang der Ufer der
Flüsse bis zu den schlafenden Wäldern im Mondschein. Widerwillig verzieht unser
Planet dann sein Gesicht, wenn er den Fluch spürt, der von den Riesenstädten,
diesen Zentren der Macht des Geldes, ausgeht.
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