Dienstag, 24. November 2015

Nara / Juli 2015

Früher oder später schüttelt jeder den Staub von den müden Füßen
Wäre es klug gewesen, schon in jüngeren Jahren Gier, Eitelkeit  und Lüge, all die Illusionen dieser Welt, abzustreifen? So grüble ich, während ich schwitzend in der Sonnenglut in Nara mit dem Fahrrad von Tempel zu Tempel radle.
Nach und nach zwingt mich mein allmählicher Verfall ohnedies zu Verzicht und Entsagung.
Den Würmern im Grab ist egal, ob sie einem erleuchteten Mönch oder einem lebenslustigen Taugenichts das Fleisch von den Knochen nagen. Bei einer Verbrennung der Leiche brennt vielleicht der ausgedörrte Mönch etwas besser.

Das Aufmalen der Augen

Der große Zirkus beim Aufmalen der Augen des kolossalen, irgendwie elefantenartigen, Buddhas im Todai Ji signalisierte viel politische Botschaften. Nicht zufällig wurde eigens ein indischer Mönch für die feierliche Zeremonie geholt. Zentralisation der Macht und Großmachtposition wurde mit Maskentänzen unterstrichen.


Yoshikien


Ein schwarzer Buddha für ein blindes Huhn

Für seine augenkranke Gattin gelobte Kaiser Tenmu den Tempel Yakushi Nyorai zu errichten.
Verständlich, dass der Tempel dem Buddha des Sonnenlichtes, Nikko Bosatsu geweiht ist. Aber komisch und paradox ist es, dass gerade dessen Statue tief schwarz ist, angeblich durch Zinnoxyd nach einem Brand.
Ebenfalls schwarz wurde auch Gakko Bosatsu, der Mondlichtbuddha an seiner Seite.
Die Besucher des Toshodaiji, ganz in der Nähe kommen eher um die gerade blühenden Seerosen zu fotografieren und weniger um dem tausendarmigen Avalokiteshvara die Ehre zu geben.
Über den Tempelwächter, der mir zwänglich verbietet mein Fahrrad vor dem Tempel abzustellen gifte ich mich zuerst. Alles ist so akkurat hier, denke ich, sogar die Rehe im Narapark gehen nur bei grün über den Zebrastreifen!
Wie mich besagter Tempelwächter dann in der brütenden Mittagshitze zu einem zehn Minuten entfernten Parkplatz geleitet, wo ich mein Fahrrad abstellen soll, bin ich irgendwie ausgesöhnt.


Schwarzer Buddha / Yakushiji


Beim Wasserdrachen

In der Schlucht von Murou hauste der Drache Ryukeshin. Ein Verwandter der Pythonschlange in Delphi, der Schlange der die Jungfrau Maria den Kopf zertritt, von Siegfrieds und Georgs Drachen etc.
Also wieder einmal ein altes Mutterheiligtum, das dann buddhistisch überlagert wurde, wobei man den Drachen zähmte.
Nicht zufällig sind hier Frauen besonders willkommen, es ist sogar die Rede vom Koyasan der Frauen.


Pagode zwischen Bäumen / Murouji


Murou Art Forest

Mitten in prächtigen Zedernwald hat Dani Karavan seine Installation hineingebaut. Leider erneuern sich die rostigen Eisentore, die gespaltene Pyramideund die im Boden verschwindende Spirale nicht so gut wie die umliegenden Wälder.
Die verschlafene bäuerliche Streusiedlung um mein Minshuku kontrastiert seltsam zu diesem Landschaftspark.


Pyramide in See / Art Forest


Einsam am Hase Dera

Hinter Baumkronen versteckt der stille Hondo mit der elfgesichtigen Kannon.
Vom Balkon sehe ich unten einen jungen Mönch eilig zum Teich beim Klo düsen. Was hat er wohl vor? Denke ich mir.
Dann sehe ich, dass er mit seinem Handy eine besonders schöne Seerose knipsen wollte.
Amüsiert gehe ich in besagtes Klo pinkeln, dort zerbröselt neben mir ein älterer Herr einen derart markanten Furz, dass ich denke : jetzt reicht es bald mit den vielen Tempeln. Übrigens verwickelt eben dieser ältere Herr mich in ein Gespräch über meine Nationalität und dann, wie so häufig, über die unglückliche Sissy, Kaiserin Elisabeth.


Hasedera


Wieder beim Tempel des blühenden Gesetzes

Das tüchtige Gespann des hochbegabten Prinzen Shotoku und der Kaiserin Suiko hat diesen Tempel Horyuji in der Asukazeit errichten lassen.
Wieder erinnert mich die magere Kudara an die eleganten Mädchen aus Nara ohne Arsch und ohne Brüste.


Hand der Kudara



Der Schleier der Maya

Es ist nicht der Meruberg, nicht der Kailash, nicht der Fujiyama und auch nicht der Penglai der Taoisten. In meinem Fall handelt es sich lediglich um den Wakakusayama im Osten Naras, auf den ich mit dem Fahrrad in der Hitze hinaufradle.
Auf der Aussichtsplattform lässt sich gerade ein Hochzeitspaar mit Hilfe einer Drohne fotografieren.
Der lange Schleier der Braut flattert verführerisch im Wind.
Mir ist sofort klar, dass es sich dabei um den Schleier der Maya handelt, um all die Täuschungen von Lust, Liebe, Zärtlichkeit und Treue.
Mit einer Zigarette vom Chauffeur des Paares gestärkt, in Wirklichkeit geschwächt, brause ich im Schuss die Serpentinenstrasse hinunter zum Todai Ji.


Hochzeitpaar mit Drohne

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